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Friends for dogs e.V.

26. Juni 2023

Camel

Manchmal holen einen die Katastrophen schneller ein als man je geglaubt hätte...
Camel wurde von einem einem jungen Paar mit netter Hündin in NRW adoptiert. Alles schien perfekt. Wir hatten ein wirklich richtig gutes Gefühl. Also flog Nicole nach Spanien und nahm Camel auf dem Rückweg mit.
Aber zwei Tage nach seiner Ankunft sahen sich die Adoptanten bereits mit der Haltung von zwei Hunden überfordert. Camel hatte, noch voll Cortisol vom Reisestress und den neuen Eindrücken, einen Streit mit der Hündin und ihr dabei kurzerhand ins Ohr gebissen. Nicht schön, aber unter Hunden eigentlich keine wirklich große Sache. Problematisch wurde es, weil die Adoptanten in dem Moment nicht wirklich achtsam und umsichtig reagiert haben. Das lautstarke, drohende Einschreiten des Mannes hatte zur Folge, dass Camel seitdem vor Angst erbärmlich schlotternd einfror und unter sich pinkelte, wenn er den Mann nur kommen sah. 
So hatten wir uns das neue Leben für Camel nicht vorgestellt.

Wir wissen, in einem solchen Fall ist echt Eile geboten, damit die Geschichte nicht noch mehr aus dem Ruder läuft. Also haben wir umgehend unsere Hilfe angeboten, die Adoptanten besucht und auch eine Hundetrainerin besorgt.
Da Camel in der Perrera eigentlich nie dadurch auffällig geworden ist, dass er regelmäßig andere Hunde vermöbelt hätte, ist es mehr als fraglich, ob der eher unsichere Rüde unter normalen Umständen, ohne all den Adoptions-Stress überhaupt diese Eskalationsstufe gegenüber der Hündin gewählt hätte. Seine Adoptanten haben jedoch direkt entschieden, dass sie sich ein Leben mit Camel zukünftig nicht mehr vorstellen können und von uns umgehend die Rücknahme des Hundes erwartet. 

Auch wenn wir der Ansicht sind, dass einen Hund zu adoptieren Verantwortung bedeutet und man ihn nicht wie eine Ware innerhalb einer 14tägigen Frist einfach wieder umtauschen kann, haben wir Camel in seinem eigenen Interesse so schnell wie möglich auf einer Pflegestelle untergebracht. Es war kein ganz einfaches Unterfangen innerhalb weniger Tage, noch dazu kurz vor der Ferienzeit, eine kompetente Pflegestelle für einen großen verunsicherten Rüden zu finden. Und an dieser Stelle gehört Vera samt Familie ein wirklich fettes und sehr herzliches Dankeschön! Du bist großartig und wir wissen, was wir an dir haben!
Es beweist sich einmal mehr wie elementar wichtig Eigenschaften wie Ruhe, Besonnenheit und Sachverstand für Hundemenschen sind.
Nur eine Woche später bei Vera taute Camel auf und zeigt nun, was für ein wunderbarer Hund er wirklich ist. Er spielt ausgelassen auch mit kleineren Pflegestellenhunden, kann sich dabei gut zurücknehmen und entspannen, läuft super an der Leine, kommt im Garten und an der Schleppleine auf Zuruf sofort zurück, selbst seine Vorbehalte gegenüber Männern haben sich inzwischen ein wenig verringert. 

Camel auf der Pflegestelle bei Vera
Camel auf der Pflegestelle bei Vera

Camel sucht also wieder ein neues Zuhause und wir haben ihm in die Pfote versprochen, dass dieses Mal nichts mehr schief geht.

Die Geschichte mit Camel hat uns echt einige Nerven gekostet. Sie zeigt uns einmal mehr, dass man als Vermittler noch so gut hinsehen kann und Adoptanten noch so sympatisch wirken können, wenn Erwartungshaltung und Realität nicht übereinstimmen, ist Ärger einfach vorprogrammiert.

Wir weisen immer darauf hin, dass die Tiere zunächst verunsichert oder gar verängstigt sind, dass gerade Jagdhunde, Podencos und Galgos oft besondere Ängste gegenüber dominant auftretenden Männern haben, daher übergeben wir die Hunde auch nur mit Sicherheitsgeschirr und doppelter Leinensicherung. Wir raten den Adoptanten grundsätzlich, die Tiere zunächst einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Keine aufregenden Spaziergänge, kein Besuch, keine Sitz-Platz-Bleib-Erziehungsversuche, das Tier nicht bedrängen, viel Ruhe und Geduld und viel Fleischwurst als vertrauensbildende Maßnahme. Und KEIN bedeutet in diesem Fall auch wirklich KEIN.
Der Level an Stresshormonen braucht im Schnitt drei Tage um sich annähernd dem Normalmaß zu nähern, d.h. der Hund ist in dieser Zeit quasi "under fire". Für die Adoptanten ist es daher besonders wichtig das Tier gut zu beobachten, gerade bei Vergesellschaftungen von mehreren Tieren ein besonders wachsames, vorausschauendes Auge zu haben und umsichtig zu handeln. All das gilt generell für die ersten Wochen/ Monate bis sich eine Bindung zwischen dem Neuankömmling und seinen Besitzern aufgebaut hat, aber besonders wichtig ist dies in den ersten Tagen. Was in dieser Zeit an negativen Erfahrungen gemacht wird bleibt oft eindringlich in der Erinnerung des Hundes und wenn hier etwas schief geht, bedeutet es anschließend viel Arbeit erzeugte Ängste und Negativemotionen wieder zu löschen. 

 

Nach der Trennung der Adoptanten auch wieder auf der Suche: Lucky und Buck. Wir haben sie vorerst in einer Pension untergebracht.

All das erzählen wir grundsätzlich, seit Jahren immer wieder bei jeder neuen Adoption. Wir machen in Adoptionsgesprächen die Hunde nicht wissentlich "besser" oder Probleme "kleiner" als sie sind. Natürlich kann es passieren, dass die Tiere in ihrem neuen Zuhause anders reagieren als sie es in der Perrera getan haben und als wir es erwartet haben, aber es liegt beileibe nicht in unserer Absicht, irgendetwas zu beschönigen oder zu verschweigen. Wir verdienen keinen einzigen Cent an dieser Vermittlung. Im Gegenteil, es fliesst oft genug unser privates Geld in unsere Tierschutzarbeit, von Zeit und Nerven will ich gar nicht erst anfangen... Ein Tierschutzkollege bezeichnete uns in dem Zusammenhang mal als dämlich, weil wir unseren Unterhalt nicht wie er über den Tierschutz finanzieren können und auch schon gar nicht wollen. Die Zusammenarbeit mit der Organisation dieses Kollegen haben wir übrigens anschließend promt aufgekündigt. 
Wir nehmen unsere Verpflichtungen verdammt ernst und haben bisher -zum Glück kam das nicht ganz so oft vor- jeden, der von uns vermittelten Hunde, wieder aufgenommen, sollte nach seiner Vermittlung etwas schief gegangen sein. In den allermeisten Fällen hatten sich dann die Lebendsumstände der Adoptanten geändert wie bei bei den Podencobrüdern Lucky und Buck, aber es gab eben auch diese schiefgelaufenen Adoptionen bei denen Adoptanten nach wenigen Tagen der Ansicht waren, man hätte ihnen ja nicht gesagt, dass... und der gestern noch heißbegehrte "Seelenhund" heute wieder ganz schnell weg soll.
Was also hätten wir zu gewinnen, wenn wir den Leuten massenhaft Hunde mit faustdicken Lügen an die Backe quatschen würden? Richtig - nix.

Wir haben uns daher gefragt, wie es bei Adoptanten, bei allem Verständnis, zu derart unterschiedlichen Wahrnehmungen kommen kann. Die Erklärung ist vermutlich ganz banal. Potentielle Adoptanten befinden sich in einer Art Prüfungsmodus. Sie möchten das Objekt ihrer Begierde unbedingt bekommen, daher versuchen sie sich möglichst positiv darzustellen. Alle angesprochenen Probleme werden also negiert und mit einem lockeren Handwinken weggewischt "schaffen wir schon", "kennen wir uns mit aus", "selbstverständlich haben wir Geduld"...
Und exakt in dieser aufregenden Prüfungssituation versuchen wir nun geduldig zu erklären, dass die Aufnahme eines Auslandshundes mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht sofort ungebremstes Glück, sondern vermutlich erst einmal einen Haufen Arbeit bereiten wird.
Nun hört Vorbehalte ohnehin niemand gerne, zusätzlich ist das Gehirn unter Stress mit ganz vielen Dingen beschäfftigt, kein Wunder also, dass mindestens die Hälfte des von uns Gesagten, irgendwo zwischen den Ohren verhallt und der Adoptant unter diesen Umständen gar nicht viel behalten kann. Die Parallelen zu unseren Hunden sind da nicht zufällig, schließlich sind wir auch nur Säugetiere... ;-)
Genau deshalb haben wir uns nun also entschlossen ab jetzt eine Art Vorkontroll-Beratungsprotokoll zu verfassen. Das wird dann Punkt für Punkt mit den Adoptanten durchgegangen und anschließend von beiden Parteien unterschrieben, jeder bekommt davon eine Kopie. Anschließend können die Adoptanten dann noch einmal ganz in Ruhe nachlesen, was man ihnen erzählt hat und alle sind zufrieden. Zumindest aber kann hinterher niemand mehr behaupten, wir hätten ja nicht...


PS.: Weil es im Artikel ein bisschen zu kurz kam: Lucky und Buck, die beiden Podencobrüder sind auch zurück aus der Vermittlung und damit quasi unsere nächste Katastrophe. Allerdings waren es hier die veränderten Lebensumstände, die die Jungs letztlich ihr Zuhause kosteten. Die Familie hat sich voneinander getrennt, der Mann blieb alleine mit den Hunden zurück, musste arbeiten und konnte ihnen nicht mehr gerecht werden. Weil die Situation sich immer mehr verschärfte und wir kurz vor den Ferien auch nicht mal eben noch eine weitere Pflegestelle mit gleich zwei freien Plätzen für beiden Rüden auftreiben konnten, haben wir die beiden Podis zunächst in einer Pension untergebracht. Das ist schon allein aufgrund der Kosten natürlich keine langfristige Lösung. Wir suchen daher sehr dringend für die beiden Brüder entweder eine Pflegestelle oder noch besser ein endgültiges Zuhause. Lucky und Buck hängen sehr aneinander, sie kennen das Leben in Deutschland und sind mit Kindern aufgewachsen.

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